Solche und solche

Witziges letzte Woche bei SPON:

Die Sudeten fühlen sich gut vertreten durch die bayerische Staatspartei, lassen sich gern neben Altbayern, Franken und Schwaben als “vierter Stamm” des Landes titulieren.

Und jetzt das: Ausgerechnet Bayerns neuer CSU-Fraktionschef Georg Schmid hat für Verstimmung im so engen christsozial-sudetischen Verhältnis gesorgt. In einer Pressemitteilung, eigentlich gemünzt auf den bisher mangelnden Integrationswillen insbesondere der Türken in Deutschland, verwies Schmid auf das Positivbeispiel der Sudetendeutschen: “Nach dem Zweiten Weltkrieg ist es zum Beispiel im Freistaat gelungen, dass Vertriebene zu selbstbewussten Bayern mit sudetendeutschen Wurzeln wurden.” Und weiter: “Warum soll das im 21. Jahrhundert nicht mit den Türken möglich sein?”

Ein Vergleich von Türken und Sudetendeutschen – das findet der Traditionstrupp aus Böhmen und Mähren gar nicht lustig. “Die Sudetendeutsche Landmannschaft weist den Vergleich des CSU-Fraktionsvorsitzenden im Bayerischen Landtag, Georg Schmid, zwischen vertriebenen Sudetendeutschen und zugewanderten Muslimen als unpassend zurück”, empörte man sich per Mitteilung an die Presse. “Die Sudetendeutschen waren – wie auch die Nieder- und Oberschlesier, Ost- und Westpreußen, Hinterpommern und Ostbrandenburger – deutsche Staatsangehörige”, wurde der CSU erläutert. Deutsche Heimatvertriebene seien “keine ‘Migranten’ im Sinne des Ausländerrechts”.

Intellektuelle Bankrotterklärung: Broder, die Zeit und andere

Ich schreibe gerade einen englischen post über den Archbishop von Canterbury und seinen Vortrag über die Sharia. Aber eine deutschssprachige Anmerkung habe ich zuerst: mal abgesehen davon, daß die SPON-Berichterstattung gewohnt tendenziös und halbgar ist, toppt Broder das alles natürlich wieder einmal, indem er nicht nur nichts verstanden hat, sondern sich auch nicht die Mühe gegeben hat, sich zu informieren. Ein Beispiel:

Nur irrt sich der Bischof, wenn er glaubt, man könne eine Gesellschaft wie eine Betriebskantine organisieren, deren Benutzer die Wahl zwischen einem Fleischgericht und einen vegetarischen Menü haben. Ein wenig Scharia kann es genauso wenig geben wie ein wenig Schwangerschaft. Die Scharia regelt das ganze Leben, wer sie nur in Teilen übernehmen will, hat von der Zwangsläufigkeit, die ihr innewohnt, keine Ahnung. Es ist, als würde man in einem Freibad das Nacktbaden unter der Bedingung erlauben, dass jeder Besucher darüber entscheiden darf, welches Kleidungsstück er ablegen mag. […]

Da ein Teil der Migranten nicht willens oder nicht in der Lage ist, die Regeln der Gesellschaft anzunehmen, soll die Gesellschaft die Regeln der Migranten übernehmen. So kann “Integration” auch definiert werden – als ein Auftrag an die Mehrheit, sich der Minderheit anzupassen.

Wie hier nachzulesen ist, liegt Broder in so ziemlich jedem Detail daneben. Weder hat der verstanden, was Dr. Williams mit der Scharia meint, noch was für eine Art rechtliches Modell (das in britischer Jurisdiktion übrigens längst möglich ist und auch durchgeführt wird) sich der Erzbischof vorgestellt hat, und vor allem nicht, daß Dr. Williams die Einwände kennt und sie sorgfältig und nachdenklich bespricht. Er nennt Bedingungen, die einzuhalten die einzige Möglichkeit sind, solch eine Änderungen in der britischen Jurisprudenz einzuführen. Entsprechend wäre nach des Bischofs Plan keine einzige der von Broder aufgeführten “Schreckensszenarien” nach des Bischofs Plänen überhaupt möglich.

Wogegen argumentiert Broder also? Der Schlüssel liegt in seinem Bestehen auf dem Ausdruck “Migrant”. Dr. Williams, der durchaus problematische Meinungen vertritt, seit er Erzbischof ist, sieht, daß es hier darum geht, daß man ganze Gemeinden von Staatsbürgern hat, die nicht vom System erfaßt werden. Der Grund dafür ist unerheblich. Denn mit diesem Problem gilt es umzugehen. Herr Broder jedoch, der den gemeinen Moslem offensichtlich nach wie vor als Fremdkörper im Land begreift, kann das nicht verstehen, oder er will es nicht. Drum bläst er ins selbe Horn wie der rechte Flügel der CDU/CSU, die NPD und andere nette Parteien. Man möchte Broder immer wieder schütteln, bis er versteht, was er sagt, wenn er das Wort “Aufklärung” in den Mund nimmt, aber da ist wohl sowohl Hopfen als auch Malz verloren. Söder bringe ich Vernunft auch nicht mehr bei.

Und das Traurigste ist, daß bei dieser, na, man möchte fast: Kampagne sagen, auch die Presse hübsch mitmischt. So wie die Zeit, deren Titelbild unlängst übrigens wieder sehr *hust* hübsch war. In einem Kommentar war sie, im Gegensatz zu Broder, aber wenigstens ehrlich und gab zu, die Rede nicht verstanden zu haben (wobei ich bezweifle, daß sie sie gelesen hat):

Der Sinn des Vortrags, den er vergangene Woche vor 1000 Juristen hielt, erschließt sich selbst nach sorgfältiger Lektüre nur schwer.

Das hielt sie aber nicht davon ab, die Rede aufgrund zweier Sätze zu kritisieren, die “an Klarheit nchts übrig ließen”, die sie aber offensichtlich schlicht und ergreifend nicht verstanden hat:

Die Übernahme von Elementen der Scharia in britisches Recht bezeichnete Williams als “unvermeidlich”. Auch nannte er die Position, ein Rechtssystem für alle verbindlich zu erklären, “ein bisschen gefährlich”.

Peinlich, da die ZEIT sich auf den Vortrag bezieht. In einem am selben Tag gegebenen Interview drückte Dr. Williams sich weniger sorgfältig aus, aber das ist hier ja unerheblich. Im Vortrag sagte er erstens nicht, es IST unvermeidlich, sondern es SCHEINT unvermeidlich. Und zweitens sagte er das nicht absolut, sondern er formulierte es als teil einer wenn…dann Konstruktion. ‘Wenn wir sozialen Frieden wollen, dann scheint es unvermeidbar,…’

Das Verhalten der ZEIT und Broders in diesem Disput ist nichts weiter als eine weitere intellektuelle Bankrotterklärung. Hurra wir kapitulieren? Sicher. Vor der Vernunft, soweit es die Zeit und Broder betrifft. Für eine offene Gesellschaft ist dieser dem Bürgertum ins Ohr geträufelte Hass reines Gift.

Albern

Mir mißfällt der Ton in dieser Debatte.
SPON tönt

Eine neue Studie zu Muslimen in Deutschland zeichnet ein düsteres Bild: 40 Prozent sind fundamental eingestellt, 6 Prozent gewaltbereit. Die Zahl der Rechtsstaatsgegner ist ähnlich hoch wie die von deutschen Nichtmuslimen. Politiker und Experten sind erschrocken, halten die Daten aber für realistisch.

Was daran düster ist, daß es genausoviele Muslime mit demokratiefeindlicher Einstellung gibt wie deutsche, etwas, das durchaus nicht von SPON unterschlagen, sondern hier ausgeführt wird

Der Kultur- und Sozialanthropologe Werner Schiffauer sagte dem Blatt, die Hamburger Studie komme auch zu dem Schluss, dass demokratiefeindliche Einstellungen bei nicht-muslimischen Deutschen etwa ebenso häufig anzutreffen seien. Daher könne nicht gesagt werden, dass der Islam Demokratiefeindlichkeit stärker fördere.

erschließt sich mir ehrlich gesagt nicht. Müssen Muslime ‘besser’ sein als nicht-muslimische Bürger, damit das Bild nicht mehr “erschreckend” ist? Die Rhetorik der beiden SPON Artikel finde ich, na, nicht erschreckend, eher erwartet, aber unangenehm. Diese Aufregung, wenn sie nicht u.U. höchst unangenehme politische Maßnahmen zeitigen könnte, wäre als albern zu bezeichnen. Siehe auch, was für die Studie unter “fundamental” fällt.

40 Prozent aller befragten Muslime in Deutschland sind “fundamental orientiert”. Hochgerechnet auf die Gesamtzahl der in Deutschland lebenden Muslime wären das 1,2 Millionen. Merkmale dafür sind: eine enge religiöse Bindung, hohe Alltagsrelevanz der Religion, die starke Ausrichtung an religiösen Regeln und Ritualen verbunden mit einer Tendenz, “Muslime die dem nicht folgen auszugrenzen sowie den Islam pauschal auf- und westliche, christlich geprägte Kulturen abzuwerten”. Die Zahl ist nach der Studie indes nicht gleichzusetzen mit dem Umfang des Potentials demokratieskeptischer, intoleranter oder gar islamismusaffiner Haltungen unter Muslimen.

Also? Inwiefern unterscheidet sich das gros dieser Ausführungen von den Forderungen des aktuellen Papstes? Oder weiter Teile der CDU/CSU? Die find ich erschreckend. Abstrus, das alles. Und, wie ich bereits sagte: das unangenehmste an dieser Studie ist ihre Darreichungsform. Düster? Erschreckend? Erschreckend sind auch teils die Autoren dieser Studie, die “problematische Einstellungsmuster” feststellen als ob es sich bei den Muslimen um ungehorsame Schüler handelte. Kopfschmerzen.

Christlicher Fundamentalismus (Kram)

Angetippt von diesem SPON Artikel, besonders dieser Passage

Williams provoziert immer wieder mit seinen Äußerungen. Im vergangenen Jahr bezeichnete er Befürworter eines Angriffs gegen Syrien oder Iran als kriminell und mörderisch. Die israelische Tageszeitung Haaretz kritisierte Williams wegen dessen Äußerungen in Bethlehem zu Israels Mauer. Zuvor hatte Williams’ Amtsvorgänger Bischof Carey ihn wegen eines Boykott-Aufrufs angegriffen. Damals hatte unter Williams’ Vorsitz die Synode der Anglikanischen Kirche entschieden, Aktienanteile am US-Unternehmen Caterpillar zu verkaufen. Begründung: Die Firma liefere die Bagger, mit denen Israel Häuser in Palästinensergebieten einreiße.

Auch im aktuellen Interview mit dem Magazin “Emel” erwähnt Williams das enorme Leid, das die Mauer in Israel verursache. Von Terroranschlägen sprach Williams nicht. Einzige verworren-kritische Äußerung zum Islam: Die muslimische Welt sollte bedenken, dass man etwas von der Frage lernen könne, wie “klassische liberale Demokratie zu einer islamischen Weltsicht passt”.

Abgesehen davon empfiehlt Williams in dem Interview allen Gläubigen die muslimischen Betrituale: Fünfmal am Tag zu beten könne helfen, “Gott stärker in den Alltagsrhythmus zu integrieren”.

mußte ich an etwas denken, von dem ich längst lustige Passagen zitieren wollte. Einmal ein Artikel in dem Parzany und seine unerträgliche Pro Christ Veranstaltung quasi von rechts kritisiert wird, was einem Evangelikalen erst einmal passieren muß:

Wesentliche Bestandteile des biblischen Evangeliums werden bei Pro Christ verschwiegen bzw. haben nicht das Gewicht, das sie von der Bibel her haben müßten. […]

** die Heiligkeit Gottes, der ein verzehrendes Feuer ist;
** der Zorn Gottes über alle Sünde und über die gottlosen Sünder;
[…]
** die völlige Verdorbenheit des sündigen Menschen, an dem nichts Gutes ist und der zu nichts Gutem fähig ist, der unter die Sünde versklavt ist;
** die Tatsache, daß auch nach menschlichen Maßstäben „gute“, ordentlich lebende Menschen vor Gott verlorene Sünder sind;
** die Tatsache, daß auch „moderne“, heute gesellschaftlich akzeptierte Sünden wie Hurerei (vorehelicher Geschlechtsverkehr, Zusammenleben ohne Trauschein) vor Gott ein Greuel sind und zur Verdammnis führen (Ähnliches gilt z.B. für Abtreibung, Steuerbetrug, Lügen);
[…]
** klare Buße als Bruch mit der Sünde und Unterwerfung unter Gott;
** die Aufforderung des Herrn Jesus Christus an alle Gläubigen, ihr Eigenleben zu verleugnen und zu verlieren und ihr Kreuz auf sich zu nehmen;
[…]
** die Ausschließlichkeit des Heils allein durch Jesus Christus auch im Hinblick auf Anhänger anderer Religionen.

[…] Im Licht der Bibel müssen wir aber feststellen, daß jede gewichtige Verkürzung des Evangeliums im Grunde auch schon eine Verfälschung darstellt. Paulus zeigt in Apg 20,26-27, daß es Blutschuld nach sich zieht, wenn ein Verkündiger unbequeme Wahrheiten verschweigt und nicht den ganzen Ratschluß Gottes verkündigt.

Weiterhin gibt es ja noch das Aussetzen der Lektüre von Harry Potter in Chemnitz (und zwar nicht aufgrund berechtigter Einwände, was die literarische Qualität des Textes als Schullektüre betrifft), worüber an verschiedener Stelle, unter anderem ebenfalls in SPON berichtet wurde

Eine Chemnitzer Schule hat auf Bitten zweier Eltern die Lektüre von Harry Potter vom Lehrplan genommen. Die Eltern hätten sich in ihren christlichen Gefühlen verletzt gefühlt, berichtet die in Chemnitz erscheinende “Freie Presse”. Der Schulleiter des Kepler-Gymnasiums, Stephan Lamm, erklärte, man respektiere die Gefühle der Eltern und werde Harry Potter nicht als Einzelwerk in der betreffenden 5. Klasse behandeln. […] Die beiden Elternpaare hätten sich hauptsächlich an der Magie gestört, die in den Romanen viel Raum einnehme.

Gruselig wird es, wenn man das noch recht kleine Netz (in ganz Deutschland wohl nur zwischen 40 und 100 Verweigererfamilien) der fundamentalistischen Schulverweigerer betrachtet. Der Sprecher dieser bewegung schreibt Dinge wie

„Wer ein Gewissen knechtet, mit dem wird Gott rechten”, heißt es in dem Schreiben wörtlich.

Trotzdem es recht wenige sind, bekommen sie, wie der Fall in Chemnitz zeigt, immer wieder Einfluß auf Schulen oder, wie aus Hubers neugewonnener Unterstützung für die evangelikale Bewegung deutlich wird, auf Mainstreamkirchen. Unterstützung finden diese Gruppierungen, die sich etwa König Drosselbart aufgrund der dort enthaltenen Blasphemie (“ein Werk des Teufels”) verweigern, auch von der Partei Bibeltreuer Christen. Guckst du hier:

Die PBC mit ihren rund 100.000 Wählern stehe “voll hinter den Heimschulfamilien”, schreibt der bayerische Landesvorsitzende Johannes Schabert (Nürnberg) in einem Offenen Brief an Adenauer. […] Schabert erinnert zudem daran, daß das Verbot von Heimschulunterricht “auf das Jahr 1938 unter Adolf Hitler zurückgeht”. Er zieht ferner eine Parallele zwischen dem Rücktritt der bayerischen Kultusministerin Monika Hohlmeier (CSU) und ihrem scharfen Vorgehen gegen Heimschuleltern. Sie habe gegen mindestens sieben Elternteile Beugehaft verhängt. Schabert: “Der Prophet Sacharja sagte bereits vor 2.500 Jahren, daß wer Gottes Volk antastet, seinen (Gottes, Anm.) eigenen Augapfel antastet.”

Abschließend die im selben Artikel zitierte, na, man möchte schon fast sagen: Drohung des kölschen Baptistenpredigers Hartmann

“Diese Eltern haben dem kommunistischen Druck nicht nachgegeben und ihm widerstanden; glauben Sie, daß diese Menschen vor Ihren Drohungen zurückschrecken?”