Ausgegraben aus der Zeit des ‘Sommermärchens’

In den immer lesenswerten posts in classless kullas “Trampen”-Kategorie stieß ich soeben auf einen etwas älteren Beitrag aus dem Sommer 2006:

Jedenfalls war es schon nachmittag, als ich von einem schon etwas älteren Australier und seinem Teenie-Sohn in ihrem langsamen Wohnwagen zumindest bis zur letzten Mautstelle vor Calais mitgenommen wurde. Sie waren zur WM in Deutschland gewesen und befanden sich nach dem unglücklichen Ausscheiden des australischen Teams gegen Italien auf der Rückreise via England. Allerdings wollten sie erst am nächsten Tag mit der Schnellfähre von Boulogne fahren und bis dahin noch die WM im Fernsehen verfolgen.

Der Vater erzählte, daß er noch als kleiner Junge in England in seiner jüdischen Familie aufgewachsen sei, die jedoch während des ‘Blitz’ nach Australien auswanderte. Erzeigte sich besorgt über das, was er in Deutschland an Nationalismus und Geschichtsverdrehung mitbekommen hatte. Offenbar hatte er die Diskussion nicht gescheut und damit auch das ganze Programm mitbekommen: es müsse ja mal Schluß sein, die Juden würden immer noch das große Geld machen und die Medien kontrollieren, die Deutschen würden sich endlich nichts mehr sagen lassen und durch die WM ja nun auch wieder populär genug sein dafür.

Er schilderte seine Ambivalenz bei der Reiseplanung in Deutschland, da er einerseits eine KZ-Gedenkstätte besuchen wollte, sich andererseits aber vor der Konfrontation fürchtete. Er warf die Frage auf, ob die beständige Erinnerung an den Holocaust nicht wirklich zu heftig sein könnte. Ich sagte, daß ich verstehen könnte, wenn er nicht mehr daran erinnert werden mag, daß das aber offenbar auch auf anderen Wegen geschieht. Die Antisemiten sollten jedoch nicht in dem Glauben gelassen werden, ihre Taten seien vergessen. Nicht umsonst streiten sie genau dafür. Das Gespräch endete vorzeitig, als ich an der peage abgesetzt wurde.

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